Chemischmedizinische Behandlungsmethoden

 

Liebe Patientin, lieber Patient,

 

Die Diagnose...

...entscheidet über die Therapie

Sie leiden an einer rheumatischen
Erkrankung, die mit verschiedenen
Medikamenten behandelt wird.
Besonders wichtig ist die
sogenannte Basistherapie.

Die Diagnose erfolgt durch Patientenbefragung, Labor- und körperlichen Untersuchungen und Röntgen-Aufnahmen. Wird die Erkrankung rechtzeitig diagnostiziert und von Anfang an konsequent behandelt, so lassen sich Spätschäden verzögern oder sogar verhindern. Die Symptome, die Aktivität und der Verlauf der Erkrankung können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, deshalb wird das Therapiekonzept in der Regel für jeden Patienten individuell maßgeschneidert. Neben der medikamentösen Therapie sind meist auch begleitende Maßnahmen (z.B. physikalische Therapien) erforderlich, um die Erkrankung optimal zu behandeln.

Welche medikamentösen Therapieformen gibt es ?
Um den Krankheitsprozess zu unterdrücken ist eine Basistherapie mit Methotrexat, Antimalaria-Mitteln (wie Resochin, Quensyl), Sulfasalazin, Leflunomid, Azathioprin, Goldsalze, Ciclosporin oder anderen Substanzen erforderlich.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) zur Schmerzlinderung und Mobilitätsverbesserung

Eine niedrig dosierte Cortisongabe kann die Basistherapie sinnvoll ergänzen.

Neue Medikamente aus der Gruppe der Biologika, (TNF-alpha-Hemmstoffe wie Abatacept, Adalimumab, Etanercept, Infliximab oder Rituximab) sind insbesondere bei unzureichender Wirkung konventioneller Therapien eine Alternative.

Was sind langwirksame Antirheumatika ?
Diese Medikamente sollen Ihre Erkrankung langfristig verbessern. Sie sollen das Fortschreiten Ihrer Erkrankung aufhalten. Diese Behandlung wirkt nicht sofort, sondern erst nach mehreren Wochen. Dafür hält ihre Wirkung auch länger an.
Langwirksame Antirheumatika unterscheiden sich von den anderen in der Rheumatologie eingesetzten Medikamentengruppen wie den cortisonfreien Entzündungshemmern oder Cortison dadurch, daß nur sie in der Lage sind, die Schäden der chronischen Entzündung beispielsweise an Gelenkknorpel oder Knochen aufzuhalten oder zumindestens zu verringern.
Einige langwirksame Antirheumatika sind im günstigsten Falle sogar in der Lage, im Falle von bereits eingetretenen Gelenkschäden eine Reparatur einzuleiten und die Rückbildung von bereits eingetretenen Veränderungen zu unterstützen.

Was ist ein Interleukin-1 Rezeptorantagonist ?
Zytokine sind Eiweiße, die der Körper als Botenstoffe zwischen Zellen einsetzt. Einer dieser Botenstoffe, das Interleukin-1 (IL-1), spielt eine wichtige Rolle bei der Auslösung und Unterhaltung der Entzündung. Ein anderer körpereigener Botenstoff, der Interleukin-1 Rezeptor Antagonist (IL-1Ra), kontrolliert die Wirkung des IL-1, indem er den Kontakt von IL-1 mit der Zielzelle blockiert. Bei der rheumatoiden Arthritis wird IL-1 in so großen Mengen gebildet, dass der körpereigene IL-1Ra nicht mehr ausreicht, um die Wirkung von IL-1 zu hemmen. Anakinra ist ein gentechnisch hergestellter IL-1 Ra, der in therapeutischen Dosen den Überschuss an IL-1 aufhebt. Dadurch wird bei der rheumatoiden Arthritis die mit Schmerzen, Schwellungen und fortschreitender Gelenkzerstörung verbundene Entzündung in den Gelenken gebessert.

Was sind Immunsuppressive Medikamente ?
Ihre Erkrankung wird durch eine Fehlsteuerung Ihrer Abwehr (Immunsystem) verursacht. Es bilden sich Stoffe, die körpereigene Substanzen angreifen. Daraus entsteht eine chronische Entzündung. Immunsuppressive Medikamente können diese Fehlsteuerung des Immunsystems unterdrücken.

Wie wirken nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ?
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) lindern Schmerzen, Steifigkeit der Gelenke und andere Symptome der Entzündung und verbessern die Mobilität. NSAR hemmen alle Prostaglandine in ihrer Funktion. Das bedeutet, dass die Prostaglandine überall im Körper nicht mehr ihre volle Funktion ausüben können. Sie wirken deshalb entzündungshemmend und schmerzlindernd, enthalten aber kein Cortison. Dazu gehören auch die neu entwickelten sog. selektiven COX-2 Hemmer. Der langfristige Verlauf Ihrer Erkrankung wird durch die NSAR nicht geändert.

Was sind TNF-alpha-Blocker ?
Unter TNF-Blockern werden Medikamente verstanden, die einen bestimmten Botenstoff des Immunsystems, den Tumor Nekrose Faktor (TNF), binden und damit unwirksam machen. TNF ist bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wesentlich an der Gelenkentzündung beteiligt, seine Blockierung vermindert Schmerzen, Schwellungen und fortschreitende Zerstörung Ihrer Gelenke.

Was sind Biologicals ?
Biologicals sind Medikamente, die biotechnologisch hergestellt werden und Immunreaktionen bei rheumatischen Erkrankungen beeinflussen.

Wie wirkt Cortison ?
Die Wirkung des Cortisons geht auf einen Eingriff ins Autoimmunsystem zurück. Entscheidend ist in erster Linie die Hemmung der Lymphozyten sowie der Immunglobuline. Da die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen überwiegend auf einer lymphozytenvermittelten Überreaktion des Immunsystems beruhen, kann der rheumatische Prozeß durch Cortison gehemmt werden. Allerdings bleibt die Cortisonwirkung nicht auf das rheumatische Geschehen begrenzt. Das Cortison greift zusätzlich in viele Funktionsabläufe des Körpers ein, wodurch sich zum Teil auch die Nebenwirkungen erklären.

Je nach Diagnose
werden z.B. folgende
Basistherapien angewendet:

Ausführliche Informationen
zu den verschiedenen
Medikamenten finden
Sie hier:
Informationen zu den Medikamenten

Medikament

Indikation

Nebenwirkungen

Gegenanzeigen

Abatacept
(Orencia®)

Rheumatoide
Arthritis

Erhöhtes Infektionsrisiko
Tbc-Reaktivierung
Blutdruckanstieg
Leberwerterhöhung
Kopfschmerzen
Husten
Durchfall
Bauchschmerzen
Lokalreaktion am Applikationsort
Infusionsreaktionen

Überempfindlichkeit gegen Abatacept
Infektionserkrankungen

Adalimumab
(Humira®)

Rheumatoide Arthritis

Erhöhtes Infektionsrisiko
Tbc-Reaktivierung
Herzmuskelschwäche
Hautausschlag
Nesselsucht
Lokalreaktion am Applikationsort

Überempfindlichkeit gegen Adalimumab
Infektionserkrankungen
Schwere und mittelgradige Herzmuskelschwäche

Anakinra
(Kineret®)

Rheumatoide Arthritis

Erhöhtes Infektionsrisiko
Blutbildungsstörungen
Kopfschmerzen
Lokalreaktion am Applikationsort

Überempfindlichkeit gegen Anakinra
Schwere Nierenfunktionsstörungen

Antimalariamittel
(Chloroquin: Resochin®,
Hydroxychloroquin: Quensyl®)

Rheumatoide Arthritis

Kollagenosen
(milde Formen)

Ophthalmologie
(Corneaablagerung, Retinopathie)
Gastrointestinale Symptome
Hautreaktionen
ZNS-Symptome

Azathioprin
(Imurek®, Azamedac®)

Vaskulitiden und Kollagenosen

Blutbildveränderungen
Gastrointestinale Symptome
Hautreaktionen

Certolizumab
(Cimzia®)

Rheumatoide Arthritis

Erhöhtes Infektionsrisiko
Tbc-Reaktivierung
Blutbildungsstörungen
Anstieg der Leber-u. Blutfettwerte
Blutdruckanstieg
Herzmuskelschwäche
Hautausschlag
Kopfschmerzen
Lokalreaktion am Applikationsort

Überempfindlichkeit gegen Certolizumab
Infektionserkrankungen
Schwere und mittelgradige Herzmuskelschwäche

Cyclophosphamid
(Endoxan®)

Remissionsinduktions-Therapie bei Vaskultiden und Kollagenosen
mit Organbeteiligung

Extraartikuläre Manifestationen bei rheumatoider Arthritis

Gonadenschädigung

Knochenmarkstoxizität
Hämorrhagische Cystitis
Gastrointestinale Symptome
Mutagenität
(abhängig von Kumulativdosis)

Cyclosporin A (Sandimmun®)

Rheumatoide Arthritis

Psoriasisarthropathie

Vaskulitiden und Kollagenosen

Renale NW: Art. Hypertonie
ZNS-Symptome
Gingivahyperplasie
Gastrointestinale Symptome

D-Penicillamin
(Metalcaptase®)

Rheumatoide Arthritis

Gastrointestinale Symptome
Haut-/Schleimhautveränderungen
Proteinurie
Geschmackstörungen
Blutbildveränderungen

Etanercept
(Enbrel®)

Rheumatoide Arthritis

Erhöhtes Infektionsrisiko
Tbc-Reaktivierung
Herzmuskelschwäche
Juckreiz
Hautausschlag
Lokalreaktion am Applikationsort

Überempfindlichkeit gegen Etanercept
Infektionserkrankungen

Goldverbindungen
(Ridaura®, Tauredon®)

Rheumatoide Arthritis

Haut-/Schleimhautveränderungen
Blutbildveränderungen
Nephropathie
Gastrointestinale Symptome

Golimumab
(Simponi®)

Rheumatoide Arthritis

Erhöhtes Infektionsrisiko
Tbc-Reaktivierung
Blutbildungsstörungen
Anstieg der Leber-u. Blutfettwerte
Blutdruckanstieg
Herzmuskelschwäche
Hautausschlag
Kopfschmerzen
Lokalreaktion am Applikationsort

Überempfindlichkeit gegen Golimumab
Infektionserkrankungen
Schwere und mittelgradige Herzmuskelschwäche

Infliximab
(Remicade®)

Rheumatoide Arthritis

Erhöhtes Infektionsrisiko
Tbc-Reaktivierung
Herzmuskelschwäche
Kopfschmerzen
Übelkeit
Bauchschmerzen
Lokalreaktion am Applikationsort
Während der Infusion: Blutdruckabfall
Schüttelfrost
Fieber, Juckreiz
Brustschmerzen
Luftnot

Überempfindlichkeit gegen Infliximab
Schwere Herzmuskelschwäche
Infektionserkrankungen

Leflunomid
(Arava®)

Rheumatoide Arthritis

Remissionserhaltung bei Vaskulitiden
(bisher wenig evaluiert)

Art. Hypertonie
Gastrointestinale Symptome
Hepatotoxizität
Alopezie
Blutbildveränderungen
ZNS-Symptome

Methotrexat
(MTX®, Metex®, Lantarel®)

Rheumatoide Arthritis

Psoriasisarthropathie

Remissionserhaltende Therapie bei Vaskulitiden und Kollagenosen

Gastrointestinale Symptome
Hepatotoxizität
Blutbildveränderungen
Pneumonitis
Haut-/Schleimhautveränderungen

NSAR
(Diclofenac®, Ibuprofen®, Indometacin®)

Rheumatoide Arthritis

Gastrointestinale Symptome
Hautveränderungen
Hypertonie

Sulfasalazin
(Azulfidine®, Pleon®)

Rheumatoide Arthritis
(Mono- oder Kombinationstherapie)

Blutbildveränderungen
Hautveränderungen
Gastrointestinale Symptome
ZNS-Symptome

Nebenwirkungen immunsuppressiver Basistherapien

Ihre Patientin/Ihr Patient leidet an einer Krankheit des rheumatischen Formenkreises. Diese muss mit immunsuppressiven Medikamenten behandelt werden, um die Krankheitssymptome zu kontrollieren und schwerwiegende Folgeschäden (z.B. Gelenkzerstörung, Schädigung innerer Organe) zu vermeiden. Neben einer begleitenden Glucocorticoidtherapie erhalten die Patienten eine sogenannte immunsuppressive "Basistherapie". Bei den hierfür eingesetzten Substanzen handelt es sich häufig um Medikamente, die ursprünglich in der Tumortherapie oder Transplantationsmedizin eingesetzt wurden und sich in dosisadaptierter Form auch in der Rheumatologie bewährt haben. Die neueren Medikamente, z.B. Leflunomid und TNF-alpha-Blocker, wurden speziell für die rheumatologischen Krankheitsbilder entwickelt.

Die Therapie von Autoimmunerkrankungen ist häufig eine Gratwanderung zwischen notwendiger Immunsuppression und gefürchteter Nebenwirkungen, die auf einer zu starken Schwächung des Immunsystems beruhen. Zum einen besteht bereits durch die Erkrankung an sich eine gewisse Immundefizienz (z.B. Komplementdefekte oder Leukopenie bei Systemischem Lupus erythematodes), zum anderen ist häufig die Wirkung der verschiedenen Medikamente stärker als zur Krankheitskontrolle notwendig und erwünscht. Darüber hinaus haben die einzelnen Medikamente Nebenwirkungen, die durch den Wirkstoff an sich oder dessen Metaboliten verursacht werden (z.B. Hepatotoxizität von Methotrexat). Aus diesen Gründen muss jeder Patient, der eine immunsuppressive Therapie über einen längeren Zeitraum einnimmt engmaschig überwacht werden, optimalerweise durch eine enge Kooperation des betreuenden Hausarztes/Internisten mit einem Rheumatologen.

1. Klinisch relevante Nebenwirkungen
Die häufigsten rheumatologischen Krankheitsbilder, die immunsuppressiv therapiert werden müssen sind die rheumatoide Arthritis, Kollagenosen (z.B. Systemischer Lupus erythematodes) und Vaskulitiden (z.B. M. Wegener). Je nach Schweregrad werden neben Glucocorticoiden folgende immunsuppressive Basistherapien als Mono- oder Kombinationstherapie eingesetzt (die detaillierten Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente können Sie den Therapiemerkblättern oder der jeweiligen Fachinformation entnehmen).

Infektabwehrschwächen treten am häufigsten bei stärkerer Immunsuppression,d.h. unter Therapie mit Cyclophosphamid, Azathioprin, Methotrexat, Cyclosporin A oder TNF-alpha-Blockern auf.

2. Auf welche Symptome sollte man achten ?
Neben regelmäßigen Laborkontrollen, um symptomlose Nebenwirkungen zu erkennen sollte man bei Patienten, die eine immunsuppressive Therapie erhalten, auf Symptome achten, die auf eine Infektion hinweisen könnten. Es sind u.a. unklares Fieber oder subfebrile Temperaturen, unklarer Husten, Dyspnoe, neurologische Symptome, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, Lymphadenopathie. Oftmals ist es schwierig, die unspezifischen Symptome von einer verstärkten Aktivität der Grunderkrankung abzugrenzen, so dass die Diagnosesicherung nur durch die Kombination einer sorgfältigen Anamnese mit Laborwerten und weiterführender Diagnostik (z.B. Blutkulturen, Röntgen, Sonographie) möglich ist. In solchen Fällen ist wiederum eine gute Zusammenarbeit des betreuenden Hausarztes mit dem behandelnden Rheumatologen unabdingbar.

3. An welche Krankheiten muss man denken ?
Unter einer immunsuppressiven Therapie können Krankheiten auftreten, die im sonstigen ärztlichen Alltag keine große Rolle spielen. Sowohl Störungen der zellulären wie der humoralen Immunität kommen vor, oftmals auch in Kombination. So kann sich aus einer zunächst banal erscheinenden bakteriellen Infektion rasch ein septisches Krankheitsbild entwickeln, so dass die Indikation zu einer antibiotischen Therapie nicht zu zurückhaltend gestellt werden sollte.

Opportunistische Infektionen wie Pneumocystis carinii Pneumonie, atypische Mykobakteriose, reaktivierte Tuberkulose, Nocardiose, Toxoplasmose u.a. können zu einer nicht mehr beherrschbaren Erkrankung führen , wenn die Diagnose nicht frühzeitig gestellt und eine entsprechende Therapie eingeleitet wird. Weiterhin treten häufig Herpes-Infektionen oder Reaktivierungen auf, die therapiert werden sollten, um eine Generalisation zu vermeiden. Bei peristierender B-Symptomatik oder unklarer Lymphadenopathie sollte auch die Möglichkeit einer Neoplasie (besonders eines EBV induzierten Non-Hodgkin-Lymphoms) in betracht gezogen und eine entsprechende Diagnostik veranlasst werden.

4. Schlussfolgerung
Eine immunsuppressive Basistherapie stellt immer eine Gratwanderung zwischen Kontrolle der Krankheitsaktivität und zu starker Immunsuppression mit schwerwiegenden Folgen dar. Daher müssen diese Patienten regelmäßig befragt und untersucht werden, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Gerade bei den klinisch nur schwer fassbaren Symptomen einiger Autoimmunerkrankungen ist man häufig geneigt unspezifische Beschwerden als Krankheitsaktivität aufzufassen, die Immunsuppression (z.B. durch Erhöhung der Steroiddosis) zu verstärken und hierdurch die eigentliche Ursache, nämlich eine zugrundeliegende Infektion, zu verschlimmern. Bei solchen Patienten sollte rasch eine weiterführende Diagnostik veranlasst werden, anstatt eine abwartende Haltung einzunehmen. Differentialdiagnostisch schwierige Fälle sollten in Absprache mit dem behandelnden Rheumatologen diagnostiziert und therapiert werden.

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Verfasser aller Texte:
Projektgruppe Diagnose- und Therapierichtlinien der Arbeitsgemeinschaft kooperativer regionaler Rheumazentren in der
DGRh (Stand August 2010)

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